So langsam richtet sich bei mir ein geregelter Alltag ein und mittlerweile
finde ich mich auf dem Uni-Gelände und im Wohnheim zurecht.
Meine neuste, und bisher auch kostspieligste Errungenschaft ist mein neues
Fahrrad. Gute 15.000 Yen hat das Baby gekostet und das wären 15.000 Yen, die
ich mehr gezahlt habe als die meisten hier.
Kommt ein Student aus dem Ausland
an, wird ihm meistens vom Vormieter oder einem anderen, der gerade auszieht,
das alte Fahrrad geschenkt. War auch bei den meisten hier so, aber
offensichtlich kam ich knapp zu spät. Zumindest scheint es keine freien
Fahrräder mehr zu geben, weshalb ich zur Brieftasche griff. Alternativ hätte
ich auch nach einem Second-Hand-Laden suchen können, doch dieser hatte
geschlossen und bei Asahi waren welche im Angebot. Zum Zweirad wird dann noch
eine Versicherung abgeschlossen und gleich registriert, falls irgendein böser
Bubi es mir klauen möchte. Und wenn ich richtig gelesen habe gibt es sogar
eine. Schadensersatz von ein paar Millionen Yen, falls ich beim Fahren sterben
sollte... ich hoffe doch, dass nicht nötig sein wird.
Auf dem Mie-Campus existiert eine Vielzahl an Klubs und Zirkeln. Ungefähr 60
sportlich ausgerichtete und 60 kulturell ausgerichtete Gruppen. Wobei darunter alles
Mögliche verstanden wird. Ein Großteil wird von Tennis- und Baseball-Klubs
beherrscht, eine für mich interessantere Sparte bilden die Kampfkünste wie Jūdō (柔道), Karate (空手道)
oder Aikidō (合気道), wobei es auch welche mit Waffen
gibt wie Kendō (剣道) und Aikidō-Budō (合気道武道). Großes Interesse hege ich am traditionellen,
japanischen Bogenschießen/Kyūdō (弓道).
Ach, wenn die Ausrüstung nur nicht so teuer wäre ... und es nicht dieses
Gerücht gäbe, dass sie keine Ausländer rein lassen.
Auf der kulturellen Seite gibt es übliche Vereine wie musikalische aller
möglichen Richtungen oder Instrumente, einen Manga-Klub oder Spiele-Gruppen,
worunter sich natürlich einer auf Kartenspiele spezialisiert, die bevorzugt
Thema animierter Kinderserien sind. Aber auch ausgefallene Aktivisten finden
sich, wie der Schildkröten-Club, die für den Erhalt von Schildkröten und
Schweinswalen eintreten, den Vampir-Klub, der die Blutspende unterstützt. Wie
schön dass auch jemand an die armen Vampire denkt! Und dann noch den
berüchtigten Katzen-Klub aus Mie, der sich um die herrenlosen Katzen kümmert,
die hier überall herumstreunen. Vielleicht produzieren sie auch Katzen, klonen
sie und versuchen sie zu Mutantenkatzen zu machen. Schließlich sah ich schon
welche mit verschieden farbigen Augen, eine mit Hitler-Bärtchen und, bisher nur
davon gehört, jenen Menschen, die ständig Katzenohren tragen. Sobald ich jene
Exemplare finden sollte schicke ich Fotos.
Mittlerweile hat es meine Etage auch geschafft die Küche in Angriff zu
nehmen, sodass man denken könnte, es würde sich tatsächlich mal jemand um sie
kümmern. Wahrscheinlich werden wir übermorgen bei der Zusammenkunft des
Wohnheims die "Weekly Duty" einteilen, also quasi die Verantwortung
für Küche und Müll, welche pro Woche von Zimmer zu Zimmer weiter gegeben wird.
Auch ist‘s es mir gelungen meinen ersten Reis per Reiskocher zu kochen. Gut
das klingt einfach, aber nur wenn man weiß wo sich Reis kaufen lässt. Einst
basierte das Währungssystems Japans auf diesem Zeug und ich brauche eine ganze
Woche um einen Laden zu finden wo es Reis gibt, denn tatsächlich wird dieser im
fachdienlichen Kleinsupermarkt, hier Konbini, nicht geführt. Das lustige dabei
ist, dass ich am jenen Tag auch meine Wäsche gewaschen habe und mein
Waschpulver fast den gleichen Duft wie mein Reis hat. Dementsprechend bekomme
ich beim Einschlafen jetzt immer Hunger...
Unsere Trockner sind übrigens sehr genial, denn sie stehen genau dort wo es
keine Steckdose gibt. Ich weiß ehrlich gesagt nicht wie diese bisher benutzt
wurden ohne dass man sie, wie ich, zu den Wachmaschinen und deren Anschlüssen rüber
zieht. Zumindest war da jemand schlau genug sie nicht an der Wand zu
befestigen, wofür die Gestelle auf denen sie stehen eigentlich angedacht sind.
Sonst gäbe es nicht viel Neues. Vielleicht noch zum Wetter: Es wurde
zunehmend bewölkter und ab und zu schauert es ziemlich deftig. Wahrscheinlich
sind dies die ersten Anzeichen des Taifuns (大風), welcher in den
kommenden zwei Tagen vermutlich über die Rückseite Japans fegt. Wenn’s schlimm
wird bekommen wir immerhin Taifun-frei, ja sowas gibt’s wirklich, und das ist
doch auch was.
Vielleicht kannst du deinen Drahtesel im nächsten Jahr ja weiterverkaufen :-) wenn du weißt wer in dein Zimmer kommt.
AntwortenLöschenWäre schön, vorrausgesetzt die anderen verschenken ihre nicht gerade dann, sodass sich kein Käufer findet.
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