Alle 20 Jahre geschieht es, dass Ise-Schrein (伊勢神宮)
überführt wird. Was dies genau heißt kann ich mit meiner mittelmäßigen
Religionsbildung nicht sagen, aber soweit ich das alles verstanden habe wird
dann einer der Schreine neu aufgebaut. Und wie es der Zufall so will ist es
dieses Jahr, und zwar schon das 62. Mal. Wie uns bei der Orientation gesagt
wurde, dass wir uns richtig "lucky!" schätzen können, dass Ise ganz
in unserer Nähe liegt und dass wir dieses einmalige, in 20 Jahren wieder
auftretende, Ritual... am 2. Oktober bereits verpasst haben. Sowas muss man ja
schließlich nicht an den großen Nagel hängen. Die Orientation war übrigens eine
Stunde, in welcher uns, nach unseren Testergebnissen eingeteilt in welche
Sprachkurse wir können, mitgeteilt wurde wann wir diese Kurse haben und welche
wir optional noch dazu nehmen können.
Zum Glück war bereits der Großteil von
uns schon im Besitz eines Textbuches, wo genau diese Informationen drin
standen, sodass sie uns haargenau erklären konnten, auf welchen Seiten jeweils
welcher Kurs beschrieben wird! Wann nochmal habe ich den Sprung aus der
Grundschule nicht geschafft?
Naja, egal, viel wichtiger war jedoch, dass der Ise-Schrein zwei
Hauptschreine hat, den äußeren Gekū (外宮) und
den inneren Naikū (内宮). Am
2. Oktober war die Zeremonie für den inneren Schrein, welcher lustiger weise
weiter vom Stadtzentrum entfernt ist als der äußere, und für den äußeren aber
am 5. Oktober nochmal stattfinden sollte, was uns durch die Kollegin unserer
Betreuerin Frau Suga mitgeteilt wurde. Mit mir zusammen aus Bochum ist auch
Pascal hier, welcher als zweites Fach Religionswissenschaft studiert, und für
den dies natürlich eine einzigartige Gelegenheit darstellte. Zu blöd, dass an
jenem Samstagabend ein gemeinsames Abendessen der deutschen Austauschstudenten
und unserer Betreuer geplant war. Wie löst man so einen Konflikt? Man schreibt
seine Betreuer an und meldet sich ab, zum Essen ausgehen kann man oft genug,
aber eine seltene Schreinüberführung ist nun mal, wer hätt‘s gedacht, seltener.
Stimmen erreichten uns, die sagten, dass die Prozession
jedoch nur in geschlossener Gesellschaft stattfände und man als uneingeladener
nicht viel zu sehen bekäme. Solche Stimmen ignorierend fuhren wir trotzdem
dahin, sicherten uns durch frühes Kommen Plätze weit vorne an der Absperrung
und warteten dann. Ungefähr 1,5 Stunden warteten wir um genau zu sein. dann
schlug die Uhr 20, diverse Menschen in Anzügen, zuständige Helfer und andere
Leute innerhalb des Schreins liefen umher, ohne dass man sehen konnte was genau
passierte. Die Zuschauermenge schon recht groß, ließ die Fotoapparate im
Sekundentakt klicken. Leute versuchten an mir und Pascal vorbei zu huschen um
besser zu sehen, schließlich messen wir beide etwa um die 1,90m, und dann geschah
es: Eine Sperre weiter hinten wurde zur Seite geschoben und allerhand Leute in
Sakkos verließen den, unseren Augen nicht einsehbaren, Bereich und... das war‘s
dann.
Tatsächlich gab es nicht mehr zu sehen als einen Haufen
Leute, die den Schrein verließen, sogar eine Menge Leute, von denen einige zu
Interviews diverser Fernseh- und Radiosender raus gepickt wurden. Aber sonst
nichts, naja, außer einem kurzen Part in welchem alle kurz zweimal die Hände
zusammenschlugen und sich verbeugten, so als ob wir doch Teil des Rituals
wären. Die Leute, die rauskamen, waren vermutlich wichtige, spirituelle Führer
und geistige Lenker des Volkes, wohl aber zum allergrößten Teil einfach Leute,
die genug Geld hatten um sich ein VIP-Ticket kaufen zu können.
Man mag es Zeitverschwendung nennen, oder dass man das 3.000
Yen teure All-You-Can-Eat umgangen hat, aber keiner kann sagen, wir wären
damals nicht da gewesen, als dieses fast schon einmalige Event stattfand,
damals am Ise-Schrein.
Die meisten waren übrigens am Sonntag darauf dort, denn da
gab es dann rituelle Tänze und Opferung von Essen an die Götter, die
Öffentlichkeit mit eingeschlossen haben.
Wie ich später erfuhr, nahmen am Abendessen auch einige
Japaner teil, die gerne Deutsch lernen wollen. Doch diese waren ungefähr so
viele, dass es schon in Bochum leichter war einen Japaner als Tandempartner zu
finden, als hier in Japan.
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