Sonntag, 6. Oktober 2013

Das erste Mal beim Ise-Schrein

Alle 20 Jahre geschieht es, dass Ise-Schrein (伊勢神宮) überführt wird. Was dies genau heißt kann ich mit meiner mittelmäßigen Religionsbildung nicht sagen, aber soweit ich das alles verstanden habe wird dann einer der Schreine neu aufgebaut. Und wie es der Zufall so will ist es dieses Jahr, und zwar schon das 62. Mal. Wie uns bei der Orientation gesagt wurde, dass wir uns richtig "lucky!" schätzen können, dass Ise ganz in unserer Nähe liegt und dass wir dieses einmalige, in 20 Jahren wieder auftretende, Ritual... am 2. Oktober bereits verpasst haben. Sowas muss man ja schließlich nicht an den großen Nagel hängen. Die Orientation war übrigens eine Stunde, in welcher uns, nach unseren Testergebnissen eingeteilt in welche Sprachkurse wir können, mitgeteilt wurde wann wir diese Kurse haben und welche wir optional noch dazu nehmen können.
Zum Glück war bereits der Großteil von uns schon im Besitz eines Textbuches, wo genau diese Informationen drin standen, sodass sie uns haargenau erklären konnten, auf welchen Seiten jeweils welcher Kurs beschrieben wird! Wann nochmal habe ich den Sprung aus der Grundschule nicht geschafft?

Naja, egal, viel wichtiger war jedoch, dass der Ise-Schrein zwei Hauptschreine hat, den äußeren Gekū (外宮) und den inneren Naikū (内宮). Am 2. Oktober war die Zeremonie für den inneren Schrein, welcher lustiger weise weiter vom Stadtzentrum entfernt ist als der äußere, und für den äußeren aber am 5. Oktober nochmal stattfinden sollte, was uns durch die Kollegin unserer Betreuerin Frau Suga mitgeteilt wurde. Mit mir zusammen aus Bochum ist auch Pascal hier, welcher als zweites Fach Religionswissenschaft studiert, und für den dies natürlich eine einzigartige Gelegenheit darstellte. Zu blöd, dass an jenem Samstagabend ein gemeinsames Abendessen der deutschen Austauschstudenten und unserer Betreuer geplant war. Wie löst man so einen Konflikt? Man schreibt seine Betreuer an und meldet sich ab, zum Essen ausgehen kann man oft genug, aber eine seltene Schreinüberführung ist nun mal, wer hätt‘s gedacht, seltener.

Stimmen erreichten uns, die sagten, dass die Prozession jedoch nur in geschlossener Gesellschaft stattfände und man als uneingeladener nicht viel zu sehen bekäme. Solche Stimmen ignorierend fuhren wir trotzdem dahin, sicherten uns durch frühes Kommen Plätze weit vorne an der Absperrung und warteten dann. Ungefähr 1,5 Stunden warteten wir um genau zu sein. dann schlug die Uhr 20, diverse Menschen in Anzügen, zuständige Helfer und andere Leute innerhalb des Schreins liefen umher, ohne dass man sehen konnte was genau passierte. Die Zuschauermenge schon recht groß, ließ die Fotoapparate im Sekundentakt klicken. Leute versuchten an mir und Pascal vorbei zu huschen um besser zu sehen, schließlich messen wir beide etwa um die 1,90m, und dann geschah es: Eine Sperre weiter hinten wurde zur Seite geschoben und allerhand Leute in Sakkos verließen den, unseren Augen nicht einsehbaren, Bereich und... das war‘s dann.
Tatsächlich gab es nicht mehr zu sehen als einen Haufen Leute, die den Schrein verließen, sogar eine Menge Leute, von denen einige zu Interviews diverser Fernseh- und Radiosender raus gepickt wurden. Aber sonst nichts, naja, außer einem kurzen Part in welchem alle kurz zweimal die Hände zusammenschlugen und sich verbeugten, so als ob wir doch Teil des Rituals wären. Die Leute, die rauskamen, waren vermutlich wichtige, spirituelle Führer und geistige Lenker des Volkes, wohl aber zum allergrößten Teil einfach Leute, die genug Geld hatten um sich ein VIP-Ticket kaufen zu können.

Man mag es Zeitverschwendung nennen, oder dass man das 3.000 Yen teure All-You-Can-Eat umgangen hat, aber keiner kann sagen, wir wären damals nicht da gewesen, als dieses fast schon einmalige Event stattfand, damals am Ise-Schrein.

Die meisten waren übrigens am Sonntag darauf dort, denn da gab es dann rituelle Tänze und Opferung von Essen an die Götter, die Öffentlichkeit mit eingeschlossen haben.
Wie ich später erfuhr, nahmen am Abendessen auch einige Japaner teil, die gerne Deutsch lernen wollen. Doch diese waren ungefähr so viele, dass es schon in Bochum leichter war einen Japaner als Tandempartner zu finden, als hier in Japan.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen