Mittwoch, 16. Oktober 2013

Ein Fest in Tsu

Wenn ich etwas hier in Japan etwas lernen werde (mit Ausnahme von Japanisch, Kochen, einen Haushalt zu organisieren und solchen Kram), dann wie ich erfahre wo etwas Sehenswertes passiert. Über die Uni kommt eigentlich nichts, merkte ich ja bereits in meinem Beitrag zum Ise-Schrein an. Dass an diesem Wochenende ein Stadtfest stattfand, fand ich selber über gewisse Aushänge in der Nebenstraße, in der ich wohne, heraus. Das Fest hieß denkbar einfach Tsu-Matsuri (津祭り), auf Deutsch so etwas wie das Fest von Tsu.


Verständlicherweise wird es nicht an die große Glocke gehangen, denn solche Matsuris gibt es in Japan haufenweise und sie alle sind eher regionale Feste. Vom Bekanntheitsgrad her wäre es wohl wie ein Bordesholmer oder Sendenhorster Stadtfest, nur dass der Aufwand doch deutlich größer scheint. Wie mir gesagt wurde finden die meisten Matsuris schon im Sommer statt und das von Tsu gehöre dann schon zu den späteren Vertretern. Also habe ich schon ein wenig Glück hier in Mie. Auf diesen Festen dreht sich das meiste um Tänze, kleine Paraden und selbstverständlich einen Haufen Imbiss- und Spielbuden. Es existiert ein wohl gefülltes Rahmenprogramm mit Veranstaltungen, die über einen noch überschaubaren, wenn auch großflächigen Raum verteilt sind, sodass es gar nicht möglich ist alles zu sehen. Großteils demonstrieren Tanzgruppen aus diversen Schulen ihr Können entweder auf bestimmten Plätzen oder in Form einer sich vorwärts bewegenden Performance, die auf einem gewissen Streckenabschnitt stattfindet. Umringt sind diese Plätze dann von Buden mit Spielkram und Fressbuden, die sich in einem gewissen Muster immer wieder die gleichen sind.

Aber ich fange einfach mal an zu erzählen wie ich das fest erlebt habe. Ich bekam also kurz vor 11 Uhr eine Mail von meinem Freund (ich nenne besser keine Vornamen um niemanden bloß zu stellen) P. Thevapalasuntheran (die meisten nennen ihn Deran-san), dass wir uns im 11 Uhr treffen sollen. Diese Mail lese ich also erst um 11.15 Uhr, da wir noch mit der Küchenputzaktion beschäftigt waren. Wie erwartet traf ich keinen mehr an, ich hätte ja auch keine halbe Stunde auf mich gewartet. Also was soll‘s, fahre ich halt alleine zu diesem dummen Fest. Ab aufs Rad, in der Hoffnung, dass das Fest sich irgendwo und irgendwann auf der Hauptstraße bemerkbar macht. Bis zum Hauptbahnhof gab es nichts, wirkte wie ein normaler Samstagmittag. Dort jedoch gab es einen Stand mit dem Veranstaltungsplan zum Matsuri und gerade wo ich mir einen jener Pläne genommen hatte, kam der ganze Trupp von Leuten, die ich hier kenne aus dem Bahnhof. Also die meisten, nur Deran-san fehlte, der seinerseits den Treffpunkt verschlafen hatte (ich will nochmal darauf hindeuten, dass er mir die Uhrzeit 10 Minuten vorm Zeitpunkt selbst mitgeteilt hat).
 So waren wir dann doch als Gruppe auf dem Fest und es gab allerhand zu sehen. Man könnte erwarten dass es auf einem traditionellen japanischen Fest alles Mögliche an traditionellem japanischen Essen gäbe, doch diese Bezeichnung traf wohl nur auf die Yakisoba (焼きそば/Bratnudeln), Takoyaki (たこ焼き/frittierte Oktopus-Bällchen) und Okonomiyaki (お好み焼き/sogenannte japanische Pizzen)-Stände zu. Übrigens steht „Yaki (焼き)“ für „frittiert“ oder „gebraten“.

 

 Piraten, ahoi!

Ich kann nicht wirklich sagen was es war, aber es schmeckte verdammt lecker - und kostete nur 200 Yen
Einen Großteil machten dann doch Pommesbuden, Crepes, Hähnchen und Paradiesäpfel aus.
 Sieht einfach auch verdammt lecker aus hier...

"Doneru Kebapu" - was könnte sich hinter diesem Namen wohl verbergen?
Natürlich der gute deutsch-türkische Döner Kebab
Wem nicht nach Essen zumute war, konnte sich mit Spielzeugen und Merchandise eindecken.
 
 
Ja, auch unsere Lieblingspiratenbande aus One Piece war hier vertreten.
 
Oder sich an diversen Spielbuden vergnügen.
 Das gute, alte "Schieß es ab und du bekommst es" - nur dass das Ding auch komplett runterfallen muss.
 Ich kannte es bisher nur aus Anime - Ein Spiel, bei dem Goldfische mit Hilfe eines dünnen Papiernetzes fängt.
Als sich unsere Gruppe einigermaßen gesetzt hatte, und Deran-san auch endlich eingetroffen war, erkundeten wir noch etwas die Umgebung und fanden einen der innerstädtischen Parks von Tsu. Bei diesem stießen wir dann auch auf einen kleinen Tempel und fanden danach einen schönen Aussichtspunkt.
Wenn man schon in Japan auf einem traditionellen Fest ist, dann auch bitte mit einem Chickenburger!
 
 
 
 Diese Torbögen haben übrigens eine Bedeutung, nur kenne ich sie nicht. Aber es scheinen einige Wünsche, Vorsätze und Bitten auf den Rändern notiert worden zu sein.

 
An diesem Becken wäscht man sich eigentlich die Hände und Gesicht rein. Aber keiner von uns fühlte sich so recht angesprochen.
Nachdem wir uns noch mehrere Tänze angesehen hatten begaben wir uns auf den Heimweg, auf welchen uns dann ein paar merkwürdige Gestalten verfolgten. Die Fotos sind leider nicht ganz so gut und den Moment, in dem sie einige von uns, vorrangig die weibliche Gesellschaft, erschreckten, habe ich leider nicht festgehalten.
 
 
Hier Vertreter eines orientalisch angehauchten Tanzklubs

Ich sage euch, die Klamotten waren noch am körper als ich anfing zu fotografieren

Auch die kleinen machen mit - wohlgemerkt zu "Party Rock Anthem" - ob die überhaupt was verstanden haben zu was sie tanzen?


 Immerhin sieht man ihr den Schrecken noch an. nach dem Foto hat er sie gleich nochmal verschreckt
Ich vermute hier eine gewisse regionale Tradition, in welcher diese „Geister“ die Einwohner verfolgen und diese dann wegrennen sollen. Einen der Japaner, die uns begleiteten hat es bei seiner „Flucht“ wortwörtlich sogar umgeworfen.
Zum Schluss waren ein paar von uns dann noch in einer (sehr) kleinen Kneipe namens „Bazooka“ (バズーカ). Diese liegt quasi direkt beim Haupteingang der Uni, also unweit unserer Heimstätten und nach deren Angebot kosten sämtlich Drinks nur 250 Yen. Dies schließt sowohl Soft- als auch alkoholische Drinks ein. Wer also nur eine Cola möchte, für den wird’s teuer, aber der Alkohol ist vergleichsweise günstig. Dem preis entsprechend jedoch auch im Verhältnis stark und die Gläser groß.

In den Sonntag habe ich dann hinein geschlafen, wohlwissend, dass erst am Abend ein Feuerwerk (花火/ wörtl. Blumen-Feuer) stattfinden würde. Diesmal jedoch ging ich tatsächlich allein hin, zum einen, da ich keine Facebook- oder Mailadressen der anderen hatte, zum anderen haben wir verpasst etwas abzumachen. Aber wen schert es, bin gegen Nachmittag hin, habe ein wenig was gemampft, Tänze gesehen und diese ominösen Gestalten getroffen:

Der tapfere Knabe heißt Shiro-Mochi und unser Freund rechts dürfte den meisten wohl als Power Ranger Rot bekannt sein.
 
Außerdem wurde ich, und ja, natürlich weil ich Ausländer bin, dazu gebracht bei folgenden Leuten mitzutanzen. Auffällig ist, dass zu Beginn alle noch im Vollbesitz ihrer Kleidung waren …
Es war deutlich voller und gedrängter als am Vortag und offenbar kam ich gerade zum rechten Zeitpunkt, wo die Hauptstraße erst richtig voll wurde. Wie ich von einem der Veranstaltungspläne ablesen konnte, startete nämlich 5 Minuten nach meiner Ankunft eine der größeren Paraden, und was das für eine war … naja, seht selbst:
Sie alle stehen an um die Parade zu sehen - Glück für mich, dass ich so groß bin
 
Zuerst kommen die Kleinen und spielen Marschkapelle - auf den T-Shirts lässt sich das Thema bereits erahnen
 
 Die Große "Tokyo-Disneyland-Parade" - auf einem traditionellen japanischen fest darf Mickey natürlich nicht fehlen!
Ohne jemand anderes getroffen zu haben war ich dann etwa eine Stunde vor Beginn des Feuerwerks vor Ort. Man kann ja dumm genug sein anzunehmen dass ich nicht der Einzige bin, der dies interessant finden könnte. Durch meine Überpünktlichkeit bekam ich einen guten Sitzplatz am Rand des Geschehens, obwohl ich mit meiner Größe ohnehin über alle anderen Köpfe hinwegsehen könnte. Jedoch war es kein herkömmliches Feuerwerk sondern ein, tja wie übersetze ich es bloß, ein „Hand-Röhren-Feuerwerk der schönen japanischen Zedern“ (美杉手筒花火). Dabei halten die Pyrotechniker die Röhren für das Feuerwerk in der Hand und dieses zündet wie bei uns die Vulkan-Lichter zu Sylvester. Dieses Licht soll dann eine japanische Zeder symbolisieren, wobei die Männer die ganze Zeit über im Funkenregen stehen, aber seht am besten selbst:

Auf dem Rückweg mit dem Rad bin ich dann doch noch zweien der Deutschen hier begegnet und wird natürlich angefahren warum ich denn nicht sowas wie Facebook hätte. Zu meiner Verteidigung: Niemand hat mich bisher gefragt ob ich Facebook habe.
Und zum Schluss zum Wetter: Ein weiterer Taifun nähert sich der japanischen Ostseite. Genießen wir Montag noch Sonnenschein und einen fröhlichen „Nationalen Tag des Sports“, was für uns nicht minder als Unterrichtsausfall heißt, so durchnässt uns Taifun Nummer 26 den ganzen Dienstag, wo ich aufgrund meines lückenhaften Stundenplans sowieso frei habe.

Ich würde euch gerne Bilder von herumfliegenden Kühen oder 5 Meter hohen Sturmwellen zeigen, doch eigentlich ist es bei uns nichts weiter als ein lange andauernder Platzregen, der uns daran hindert raus zu gehen. Übrigens entfallen an solchen Tagen scheinbar auch sämtliche Klubaktivitäten. Wasserscheue Japaner!

Der heutige Mittwoch hingegen zeigte ein Bild von nassen Fluren, großen Wasserpfützen und einer rundum Berichterstattung zum Taifun auf fast allen Fernsehkanälen, die wir hier haben. Wer Interesse an wirklich überschwemmte Straßen und eingestellten Betrieben hat, sollte sich derzeitige Bilder von Tokyo ansehen. Die Leute dort bekommen nämlich die ganze Breitseite ab. In Mie hingegen weht nur ein äußerst starker Wind, der einigen offensichtlich Schwierigkeiten beim Einkauf und Fahrradfahren bereitet. Viel zeigen könnte ich da eh nicht, außer Reihen von symmetrisch umgewehten Fahrrädern, deren Besitzer keinen stabilen Stellplatz mehr gefunden haben.
 
 

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