Dienstag, 26. November 2013

Auf Irrwegen in Tsu

Ich beschreibe mein Wohnörtchen Tsu ja gerne mal als eine abgelegene Kleinstadt auf dem Lande. Tatsächlich aber ist Tsu immerhin größer als der Staat Andorra, auch wenn das nun nicht so viel bedeuten muss.
Am Montag nach dem Nara-Ausflug traf ich dann die Entscheidung ein wenig auf Entdeckungstour zu gehen. Mein Ziel dabei war ein Tempelgelände, von dem mir Pascal erzählt hatte, und welches sich ganz in unserer Nähe befände. Also schnell per Google-Maps die Route recherchiert und aufs Rad geschwungen. So stille Typen wie ich meiden ja eher die Hauptstraße und daher fuhr ich parallel zu dieser durch die (sehr, sehr, sehr) schmallen Straßen der Umgebung. Nach Plan sollte ich einfach in die nächste größere Straße (die 410) einbiegen. Dumm nur, dass die Angabe "man braucht nicht mehr als eine halbe Stunde" unpassend genug war, dass ich zu spät auf die Hauptstraße zurückkehrte und in eine völlig andere (365) einbog.



Also den Schildern nach bin ich schonmal falsch

In Japan ist einfach alles lebendig und im Comic-Stil vorzufinden


Schon bald kam mir ein Schild entgegen welches mich, immernoch in der festen Annahme bald auf den Tempel zu treffen, insoweit verwirrte, dass es mir alle möglichen interessanten Dinge verriet, nur den gesuchten Tempel nicht. Ein Stückchen zurück fuhr ich dann auf die Landwege und beschloss mich langsam zurück zu orientieren. Die nahe gelegenen Bahngleise und mein Orientierungssinn halfen mir dabei. Da der Wind auffrischte, und ich sowieso nichts besseres zu tun hatte, ließ ich mich einfach mal von ihm treiben, wozu auch Energie mit dem Gegenwind verschwenden. Dies wird zum Schluss zu einer lustigen Pointe führen.

Die Landschaft nördlich der Stadt Tsu ist allerdings sehr schön anzuschauen. Landwirtschaft und Stadtbauten gehen nahtlos ineinander über, und so unweglich die Feldwege auch sind, so lohnt sich doch der Anblick.



Nun kam ich dann irgendwann bei einem größeren Flusslauf und einer Schleuse raus und beschloss (ausgerechnet hier) zurück zur Hauptstraße und zurück zu fahren, im Glauben dass der Tempel doch noch ein gutes Stück weiter nordöstlich gewesen sein musste (Da wo der Gegenwind herkam). So war ich nach 2 Stunden bereits zu Hause und stelle fest: "Hey ich habe die erste Kreuzung verpasst und bin zu weit gefahren. Und was noch viel besser ist, dass ich auf dem Rückweg den Tempel nur knapp verfehlt habe." In Zukunf sollte ich meine Wegfindung allein dem Wind überlassen, der scheint besser zu wissen wohin ich will als ich selbst.

Also zurück aufs Rad und diesmal die richtige Abbiegung genommen, schließlich ist das olle Ding scheinbar wirklich lächerlich nah, und siehe da was wir auf dem Weg gefunden haben:
Na wenn das nicht mal die präfekturinterne Kampfsporthalle von Tsu ist?

Ein wenig später die Straße runter erreichte ich auch das Gelände, auf dem heute scheinbar ein Treffen von Forschern des Buddhismus stattfand. Dieses wollte ich durch reinplatzen in den Tempel nun nicht stören und besah mir daher das Gelände und die Umliegenden Bauten.
Das lang gesuchte Ziel: Der Takayamahonsen (高山本線)



Hier scheinen die "Tempelschätze" aufbewart zu werden - hmmm...



Weiter hinten befindet sich eine, für die Öffentlichkeit nicht zugängliche, Gartenanlage und daneben, stattdessen zugängliche, ein Gebäude wo kleine Gedenkschreine aufgereiht sind. Als einziger Besucher wurde ich herzlich hereingebeten, auch wenn die für Japaner vorgesehenen Hausschuhe, denn seine eigenen hat man im Eingangsbereich ja auszuziehen, einfach nur quälend eng für meine Füße war. Deshalb lief ich außer Sichtweite dann mit Socken weiter.

Fressgierige Kois/Karpfen



Diese Schreine funktionieren quasi wie Automaten: Du machst einen auf, wirfst etwas Kleingeld ein und kannst dann beten. In dieser etwa 4 stöckigen Halle waren mir Sicherheit mehr Altäre als Grabsteine auf dem Friedhof draußen. Zum Schluss erwies ich noch der Buddha-Statue an der Frontseite mit Weihrauch den gebührenden Respekt, im Geiste wegen der Bildaufnahmen entschuldigend, und kehrte dann langsam zurück.

Was sich heute nicht alles schon als 'Gartenteich zur Entspannung' nennen darf

Auf dem Heimweg kam ich dann bei einem Kleidungsgeschäft vorbei, bei dem es runter gesetzte Sachen gab, was einem Samurai, der ohne Winterbekleidung nach Japan flog und dies zu gegebener Zeit ziemlich bereut, gerade recht kam. Für nur 300 Yen erwarb ich eine Wollmütze und diese fingerlosen Bettlerhandschuhe (bei denen ist es dann egal onb meine Finger zu lang für die japanische Norm sind).
Allmählich einsetzende Abenddämmerung

Den Abschluss des Abends zierte ein 'All-you-can-eat' oder hier auch 'Tabe-Houdai' (食べ放題) bezeichnet. Anwesende waren vier Japanerinnen, die Deutsch studieren und von uns sechs Deutsche. Das hiesige All-you-can-eat läuft 2 Stunden. Bereits bereit gestelltsind Töpfe mit Brühe unterschiedlichem Geschmack sowie Fleisch und Gemüse, welches darin dann gebraten (ist das richtige Ausdrück dafür?) werden soll. Währenddessen sind zwei Angestellte dabei zwischen uns under Küche hin und her zu rennen um die Bestellungen entgegen zu nehmen, beziehungsweise das Essen zu bringen. Das Angebot beschränkt je nachdem wie teuer das gewählte Angebot ist. Bei unserem zum Beispiel ist pro Person auch nur ein Dessert vorgesehen: Eine Kugel Vanille-, Orangen- oder Matcha-(抹茶)eis (das letzte ist Geschmack 'grüner Tee'). da ich nicht so auf den grünen Tee, egal ob als Eis, Crème brûlée oder Taschentuch (ja davon habe ich gehört), stehe fiel meine Wahl leider auf das Vanilleeis. Ich sage hier "leider", da wir auch ein Nomi-houdai(飲み放題), also ein All-you-can-drink, bestellt hatten und es sich herausstellte dass in jeder bestellten 'Creme Soda' (Waldmeistergeschmack) eine Kugel Vanille dabei war.

Dennoch ein wirklich gelungener Tag, und vor allem waren wir danach so richtig satt. Einige habens sogar etwas übertrieben, sodass sie das Verspeiste zu Hause gleich wieder unverdaut los wurden. Naja, es gibt nunmal eine Grenze zwischen "etwas voll ausnutzen" und "zu viel des Guten"

Übrigens hatte meine Irrfahrt auch etwas sehr positives: Ich werde die gefundene Gegend noch mal besuchen, denn mich interessieren z.B. die heißen Quellen und andere Punkte auf der Karte, die ich gesehen habe.

4 Kommentare:

  1. Haha, ich finds witzig, wie deine Geschichte fast zu 90% meiner eigenen Irrfahrt entspricht, so von wegen Nebenstraßen und zu weit nördlich.^^

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    1. Stimmt. Entweder leiden wir an ähnlicher Orientierungslosigkeit oder aber Japan ist überall so konstruiert, dass man sich ähnlich verfährt.^^

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  2. Hallo Alec, ist der am Wassertrog stehende und Wasser trinkende Drache echt? Sieht zumindest cool aus - oder bin ich da Opfer einer Sinnestäuschung geworden. :-)

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    1. Also erstmal nein. Das ist kein echter 'Wasser trinkender' Drache, sondern ein echter 'Wasser speiender' Drache natürlich.
      Tjaja, diese beiden Spezien werden oft mit einander verwechselt, als Faustregel gilt aber dass letztere, wie der oben, häufig an religiösen Plätzen vorzufinden sind, wo man sich mit deren Wasser die Hände 'reinigen' kann. Die andere Sorte ist eher scheu und lebt in den Bergregionen Chinas...

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